sloopy
12 Monate hochgepäppelt
Zu sloopys erster Geburtstagsparty Gedränge
wie am Premierentag. Vor dem Eingang trotzte die Masse dem Schneesturm,
stapfte sich die Füße warm. Wer keine Einlaßkarte besaß, peilte geladene
Ehrengäste an: „lehn Se man nich 'rin, det is nischt für Sie, jeb'n Se mir
lieber Ihre Karte, denn tun Se noch 'n jutet Werk."
Mokantes Lächeln der aparten Garderobendame
auf meine Frage nach dem Obolus. Während ich drei Groschen aus dem
Portemonnaie fische, wirkt der nervöse Trommelrhythmus ihrer Fingernägel
beinahe wie einfühlsame Begleitmusik. |
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Keine hämische Bemerkung mehr über deutsche Wertarbeit. Im sloopy hat sie
sich bestätigt. 565 Tage bebt jetzt schon die Taverne, zittern die Holzbänke
und Tische, pendeln die Lampen, aber noch immer ist alles niet- und
nagelfest. Selbst vom granitenen Trampelrechteck haben flotte Tanzbeine noch
kein Splitterchen abwetzen können.
Im wogenden, von Nikotinschwaden umhüllten, psychedelisch angestrahlten
Publikumsgewühl plötzlich eine Halluzination: Steht mir ein Höhenbewohner
gegenüber? Schwarz zugewachsen vom Scheitel bis zum Kinn. Der Teufel?
Unmöglich. Der sitzt ja im Bau. Es war ein Senatsmensch — amtlich mit
Kulturbetrieb beschäftigt —, der seinen Protest gegen das Establishment
sichtbar sprießen läßt.Auf dem
Podium geben die „Q" ihre Abschiedsvorstellung. Cäsar Nero preßt
Kullertränen unter wülstiger Managerbrille hervor, bevor er zu
improvisiertem Birthday-Toast in die Butt steigt. Lob für den Anheizer vom
Dienst, den Plattenjockei Holly Dolly, Dank an die treuen sloopy-Fans — im
ersten Jahr wurden 140 000 gezählt —, Tusch. „Wir werden stets bemüht sein,
euch das zu beaten, was ihr wollt", verspricht der tolle Brandenburg.
„Sollte einst Mozart-Stil topfit sein, werden wir euch auch diese Flötentöne
beibringen." Zweimal tuscht es. — Weiter geht der Spaß mit
Pop-Gags, knallharten Rhythmen und weichem Soul. Die Tonsäulen
röhren, die Ehrengäste — in die äußerste Ecke geflüchtet — stöhnen um die
Wette. Sie hatten ihre Ohrenschützer vergessen.
Brauereivertreter rauschen an und
deponieren Blumenschalen auf der Bartheke. Ihr Geschäft hatte sich gelohnt.
Zweihunderttausend Flaschen betrug der Rekordumsatz an Getränken, von
Limonade bis Bier. Genüßlich blicken sie in die Runde und amüsieren sich
über die Paare in der Tanzarena. Dort stehen sich vorwiegend Boys, verzückt
zuckend, gegenüber. „Was treiben die da?" schreit mir jemand ins Ohr.
„Fragen Sie mal die Stadträtin Ilse Reiche! drüben in der Ecke, die weiß es
vielleicht", brülle ich zurück. Die Repräsentantin bezirklicher
Behördenautorität zieht uns ins Büro des Klubleiters. „Wir haben ja hier
vorwiegend jüngeres Publikum. Da bestehen natürlich noch Hemmungen zwischen
den Geschlechtern. Deshalb tanzen erst mal die Jungen
mit Jungen und
Mädchen mit Mädchen, ehe sie zueinanderfinden. Das Experiment zeigt gute
Erfolge." Unauffällig werden im sloopy Verhaltensweisen studiert. Demnächst
sollen zur Beobachtung Automaten für Geschicklichkeitsspiele aufgestellt
werden. Wer verliert, gibt 'ne Lage. Ist das pädagogisch? „Nein, zunächst
nur ein Test, aus dem wir uns wesentliche Aufschlüsse versprechen."
Auf dem Schreibtisch des
Klubleiters Peter Mathow liegt ein Entschuldigungsbrief des Bürgermeisters
Dr. Gutsche. Wegen dienstlicher Verhinderung wünscht er auf diesem Wege, daß
der sloopy-Betrieb ein weiteres Jahr so gut laufen möge.
„Wie ertragen Sie Abend für Abend diese Geräuschkulisse", frage ich den
Klubboß. „Dagegen bin ich mittlerweile immun. Wenn's nebenan brummt, ist das
für mich so selbstverständlich wie der Maschinenlärm in einer
Produktionshalle. Daran muß man sich eben gewöhnen." Wieder schaltet sich
Ilse Reiche! ein. „Die einen lieben's laut, damit sie nicht miteinander zu
reden brauchen, die anderen gerade aus entgegengesetzten Motiven, damit
niemand ihren Flirt belauschen kann."
Aus falsch verstandener
Rücksichtnahme gegenüber geladenen Gästen — ihnen sollte wohl ein friedlich
stilles Fest beschert werden — hatten Einbrecher unter den Augen des
benachbarten Polizeireviers am Abend vor der Party aus dem sloopy die
Schallplattenbestände und zwei Verstärker geraubt. Wert: 6000 DM. Bis zum
Abend war der materielle Verlust ersetzt. Wie? „Wir haben doch Kredit",
verriet die Schatzmeisterin des Berliner Jugendclub e. V., Irma Haase. „Mit
den sloopy-überschüssen stopfen wir sogar noch Defizitlücken in anderen,
weniger komfortabel eingerichteten Jugendtanzlokalen."
Daß die sloopy-Kasse
stimmt, verdankt sie dem attraktiven Freizeitangebot. 15 000 Plattentitel
drehten sich auf der Hi-Fi-Anlage, 61 Bands mit etwa 310 Musikern gastierten
live. Prominente Stars wie Neu Christian und Jimi Hendrix zogen dort ihre
Galashows auf. 11 175 Meter Film spulten die Kinoprojektoren ab. 254
Fachleute der Jugendarbeit aus England, Frankreich und der Bundesrepublik
sahen sloopy und waren begeistert. Zwei drei Zentimeter dicke Scheiben an
der Eingangstür zersprangen beim leidenschaftlichen Ansturm der sloopy-Gäste.
Der Scherbenhaufen hatte Glück gebracht.
Spät am Abend, als es
drinnen bumsvoll war und das Beat-Nirwana vor betriebsamer Fröhlichkeit in
allen Fugen knarrte, harrten draußen noch immer Geduldige aus. „Tut mir leid
für euch, aber ich war selbst ohne Karte drin." — „Wie issen det möjlich?" —
„War sicher wieder so 'n Pressefritze. Die schlauchen sich uff diese miese
Tour doch überall durch."
e. r.
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